Es war so in den Jahren 1953/54 als der Rennleiter der Badberg-Viereck-Rennen von 1927/28, später Sachsenring genannt, seinen Nachlass ordnen wollte. Die Gemeinden und Verbände befanden sich etwa auf dem heutigen Stand, hatten also kein Geld in der Kasse.
Und so zeigte sich die Rennstadt Hohenstein-Ernstthal nicht besonders beeindruckt von dem Angebot. Auch der junge Motorsportclub, der damals noch keinen eigenen Dachverband besaß und dem Sportbund angegliedert war, hatte keine finanziellen Mittel. Paul Berger, so hieß der Mann, hatte aber keinesfalls eine Schenkung vor, weil nach seinem Verständnis dann das Erbe nicht genug geschätzt wird.
Da gab es dann noch das Clubmitglied bei der Betriebssportgemeinschaft Chemie Glauchau, Lothar Jordan, bisher kaum aufgefallen, als Streckenbeobachter bei den Rennen eingesetzt. Als Kind im Innenring des Sachsenringes aufgewachsen, war er schon immer motorsportbegeistert.
Mit einer IFA RT 125 fuhr er Geländerennen, machte Kunstturnen auf dem fahrenden Motorrad und nahm an Leistungsprüfungsfahrten teil.
Im Winter schnallte er die Ski an und flog auf der Schanze im Hüttengrund oder ließ sich beim Ski-Jöring an einer Leine hinter einem Motorrad herziehen.
Dieser war dann auch so versessen, dass er all sein Geld zusammenkramte und diese wichtigen historischen Unterlagen erwarb. Diese Übernahme und der Sammlereifer wurde mit weiteren Zugaben alter Veteranen belohnt.
Am 09.05.1955 nannte Lothar Jordan seine Sammlung „Motorrennsport-Archiv Sachsenring“.
Besonderheiten waren dabei fast alle alten Programmhefte sächsischer Rennen und die Gründungsurkunde des „Motorradfahrer-Club Hohenstein-Ernstthal und Umgebung 1925“ vom 31. Juli 1925 sowie interne Schreiben zu den ersten Rennen wie zum Beispiel die Versicherungspolice.
Der Motorsportclub war nun auf ihn aufmerksam geworden und wollte natürlich dieses Potential für die Vorbereitung der 30-Jahrfeier des Motorsports in Hohenstein-Ernstthal 1957 nutzen.
So wurden gleich mehrere Projekte gestartet. Ein Heimat- und Motorsportmuseum wurde eingerichtet, eine Oldtimer-Sternfahrt organisiert, ein großer Festumzug fand statt und dazu gab es eine 76-seitige Broschüre, die heute noch als Rarität gehandelt wird.
Das war der Durchbruch. Die perfekte Organisation und der persönliche Einsatz wurden belohnt. Fortan brauchte Lothar Jordan nicht mehr die Flagge des Streckenbeobachters zu schwingen, sondern schwang den Stift und die Kamera zur Werbung für den Sachsenring. Viele Artikel und Bilder in den Zeitungen und Zeitschriften dieser Zeit künden davon. So gab es die Wochenzeitschrift „Sachsenringwoche“, wo er Redakteur war. Bis 1975 schrieb er für die heimatlichen Zeitungen.
Aber auch zu den Radweltmeisterschaften für Profis und Amateure 1960 auf dem Sachsenring war er als Werbechef zuständig.
Der Beginn der Ära der Weltmeisterschaftsläufe für Motorräder auf dem Sachsenring ab 1961 war für alle Beteiligten eine Auszeichnung für bisherige Arbeit. Immer arbeitete Lothar Jordan in der Presseabteilung und sorgte so mit dafür, dass jedes Jahr hunderttausende Zuschauer zum Sachsenring kamen.
1968 war er zum ersten Mal Chef der gesamten Presse. Aber ausgerechnet da ereilte ihn seine Krankheit wieder, die er seit der Kriegsgefangenschaft mit sich herumschleppte und so war es das erste und einzige Rennen am Sachsenring, was er nicht live miterleben konnte.
Die Arbeit des Pressechefs war nicht einfach. Die Informationen über WM-Läufe oder die Starter aus der ganzen Welt waren über die DDR-Medien nicht zu erhalten. Auslandtelefongespräche (wozu auch die BRD gehörte) waren unmöglich. Also gab es einen regen Briefwechsel zwischen den Informanten im Westen und Osten, wobei die Brieflaufzeit nicht selten 14 Tage betrug.
Neben den Aufgaben am Sachsenring war Lothar Jordan öfters als Sportkommissar eingesetzt: bei K-Wagen-Rennen, Motorbootrennen, Geschicklichkeitsfahren und Bergrennen.
In der verbleibenden Zeit wurden am Wochenende Rundfahrten mit der Familie durchgeführt, von einem Veteran zum anderen und so konnte die Sammlung ständig Zuwachs verzeichnen.
1974 ereilte ihn dann die aktuelle Politik. Am Rasthof Hermsdorfer Kreuz plauderte er mit einem westdeutschen Sportfreund über Historisches und Aktuelles. Zum Schluss wurden noch Zeitschriften, Plakate und Plaketten ausgetauscht, übrigens nicht zum ersten Mal.
Nach ca. 3 Kilometer Autobahnfahrt nach Hause schnappte die Falle zu. Die Zollbeamten waren zwar etwas enttäuscht, weil kein politisches Material gefunden wurde. Aber es reichte dennoch, um Berufsverbot zu erhalten und von allen ehrenamtlichen Funktionen entfernt zu werden. Der Sachsenring war von einem Tag zum anderen nicht mehr die Hauptaufgabe.
Dank der Bekanntheit und bisherigen Arbeit konnte er sich aber immer an der Strecke zum Fotografieren aufhalten. Auch ein Fahrerlagerbummel war möglich. Aber am Start- und Ziel wollte er sich nicht mehr sehen lassen. Die Arbeit mit dem Archiv wurde eingestellt, die Vorkriegsunterlagen im Dachgebälk versteckt. Leider sind alle westlichen Unterlagen zwischen 1965 und 75 verbrannt worden. Es blieb keine andere Wahl, um bei einer eventuellen Hausdurchsuchung nachweisen zu können, dass man nie etwas aus dem Westen erhalten hatte. Doch diese Ruhe hatte Vorteile in anderer Hinsicht. Lothar Jordan beschäftigte sich intensiv mit den beiden anderen existierenden Rennstrecken Frohburg und Schleiz, fertigte Auftragsaufnahmen für viele Rennfahrer und wurde so in anderen Kreisen bekannt.
In den Motorsportclubs im Umkreis von 300 Kilometern hielt er Lichtbildervorträge über die Geschichte des Sachsenringes.
Bis zur Wende schrieb er viele Fahrer und Teams an und erhielt so Autogrammpost von alten und jungen Motorsportlern. Die Westpost wurde über die CSSR verschickt und kam auch so wieder zurück. Bescheinigungen des Zollamtes Plauen für eingezogene Briefe aus dem Westen füllten Kartons. Erst ab ca. 1985 lockerten sich die Zollbestimmungen der DDR wieder.
Die Bestrebungen, ein Buch über die Geschichte des Sachsenringes zu schreiben, hatten keine Erfolg. Sowohl 1967, als auch 1977 und 87 gab es dafür kein Papier. Aber es dürften auch andere Gründe gewesen sein, die den Ausschlag gaben. Die Berühmtheit des Sachsenringes in den 30er Jahren zum Beispiel, die Siege der Westdeutschen in den 50er Jahren oder der Sieg des westdeutschen Dieter Braun 1971 – Eckpunkte, die er in einem Buch nie verschwiegen hätte.
1989 noch vor der Wende starb mein Vater im 61. Lebensjahr. Das was er geschaffen hat, wird von mir weitergeführt und ausgebaut, zu allererst für die Motorsportfans.
Hallo Herr Jordan,
mein Großvater, Herbert Bräuer war nach dem Krieg bis etwa 1952 Rennleiter am Sachsenring. Mich interessiert, ob es da noch Dokumente und Fotos gibt, wo er erwähnt ist. Soweit ich weiß war er auch in Suhl eingesetzt.
Können Sie mit dazu etwas sagen?
Freundliche Grüße
Christiane Volkmer
Hallo Herr Jordan, ich bin selbst Trabant- und Ladatourenwagen von 1973 bis 1978 gefahren. Suche Rennfotos von mir. Trabant Start-Nr. 44 bzw 42 und Lada Nr. 71, außerdem gab es ein Rennplakat vom Sachsenring, ich glaube von 1975, wo der Trabantfahrer Hromada und ich bei der Vorbeifahrt am Star- Zielturm abgelichtet waren. Habe an diesem Plakat und an Fotos großes Interesse. Danke mit motorsportlichen Grüßen Dieter Ziemer
Tel. 0163 7352572
Hallo Hr. Jordan.
Reicht das Archiv auch bis nach Westdeutschland?
Im Jahre 1900 fand in Frankfurt am Main ein Automobil und Motorradrennen auf der damaligen Pferderennbahn statt. Haben sie darüber irgendwelche Informationen? Es soll die Frau des Dessauer Fahrzeughersteller Lutzmann damals für OPEL dort gefahren sein. Wir finden nur keine weiteren Hinweise außer in dem Buch des Sohnes Lutzmann und eine Quelle alleine reicht nicht als Nachweis. Ich würde mich sehr freuen von ihnen zu hören.
Gruß Jochen Geiken