Die fünfte Saison der FIA Formel E bog mit dem Berlin ePrix auf die Zielgerade ein. Es ist die erste Saison mit dem neuen Einheitschassis der zweiten Generation, mit dem auch der Pflichtboxenstopp inklusive Fahrzeugwechsel entfällt. Bei den Teams und Herstellern hat sich ebenfalls einiges getan.
Das Andretti-Team tritt nun als BMW-Werksteam auf, das französische eDAMS-Team zeigt nun für Nissan Flagge statt wie bisher für die Konzernmutter Renault. Mit dem Team HWA Racelab bereitet sich bereits die nächste Marke für den Einstieg für Saison 2019/2020 vor: Mercedes. Auch das Team Venturi wird technisch von HWA unterstützt und steht unter der Leitung von ex-DTM-Fahrerin Susie Wolff, der Ehefrau von Mercedes-Formel-1-Teamchef Toto Wolff. Ebenfalls zur neuen Saison im Herbst diesen Jahres wird Porsche zum Kreis der Herstellerteams hinzustoßen.
Erstmals erstreckte sich die Veranstaltung auf dem Vorfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof auch über zwei Tage, mit den freien Trainings am Freitagnachmittag sowie Qualifikation und Rennen am Samstag. Die abgesteckte Strecke blieb gegenüber dem Vorjahr unverändert und die Fahrer zeigten sich begeistert ob der zahlreichen Überholmöglichkeiten und der Nähe zu den Zuschauern. Auch die Betonoberfläche der Fahrbahn hat ihre besonderen Eigenheiten und fordert die Fahrer beim Herein- und Herausfahren aus den Kurven.
Das Qualifying am Samstagvormittag wurde in 4 Qualifikationsgruppen ausgefahren. André Lotterer verschätzte sich mit seinem DS Techeetah und kam nicht mehr rechtzeitig für seine letzte fliegende Runde über die Ziellinie. Folglich musste der Duisburger sein Heimrennen vom letzten Startplatz aus in Angriff nehmen. Der zweite Fahrer aus Deutschland, Daniel Abt im Audi, verpasste die Qualifikation für die Superpole als Siebenter um Haaresbreite, Pascal Wehrlein im Mahindra sicherte sich elfte Startposition, Maximilian Günther (Dragon) startete von Platz 15.
Im Shootout der besten sechs setzte sich Sebastien Buemi im eDAMS-Nissan durch. Um über drei Zehntelsekunden distanzierte er Stoffel Vandoorne im HWA und Lucas di Grassi, den Zweiten des Berliner Rennens 2018, im Audi sowie den zweiten HWA-Piloten Gary Paffett.
Das Rennen begann zunächst mit einer Schweigeminute für den am Dienstag verstorbenen dreifachen Formel-1-Weltmeister Niki Lauda. Lauda hatte in seiner unvergleichlichen Art nie einen Hehl daraus gemacht, dass er kein Fan der Elektrorenner war, als Motorsportlegende hatte der Österreicher aber auch im Fahrerlager und auf den Tribünen in Berlin treue Anhänger.
In die langgezogene erste Kurve hinein konnte Sebastien Buemi seine Führung zunächst verteidigen, doch Lucas di Grassi gelang es, sich nach wenigen Runden an die Spitze setzen. Auch sein Audi-Teamkollege Daniel Abt konnte bis auf die vierte Position nach vorn fahren. Die weiteren Positionsveränderungen wurden vor allem von einem neuen Feature beeinflusst, dem Attack-Mode. Dabei müssen die Fahrer die Kurve 6 außen durchfahren, um kurzzeitig 30 PS mehr freizuschalten. Antonio Felix da Costa stellte sich dabei am geschicktesten an und stieß bis auf den zweiten Platz nach vorn. Sebastien Buemi konnte den Portugiesen jedoch dank seines Fan-Boosts wieder auf die dritte Position verdrängen. Nach einer kurzen Gelbphase auf der gesamten Strecke musste da Costa seinen Platz sogar noch an den amtierenden Meister Jean-Eric Vergne abgeben.
Das alles konnte Lucas di Grassi egal sein. Der Brasilianer führte das Rennen inzwischen souverän an und managte seine Energiereserven. Vergne und Buemi balgten sich um die verbleibenden Podestplätze, wobei der Franzose schließlich keinen Weg mehr an Buemi vorbei fand. Den ersten Sieg des Brasilianers in Berlin konnte schließlich keiner mehr gefährden.
Daniel Abt, im letzten Jahr noch ganz oben auf dem Podest beim Heimspiel in Berlin, verlor im Verlauf des Rennens die zuvor erkämpften Plätze wieder durch eine schlechte Attack-Mode-Strategie. Das Rennen beendete er hinter da Costa und Vandoorne auf dem sechsten Platz. Während Pascal Wehrlein (10.) und Maximilian Günther (14.) im Mittelfeld ankamen, musste André Lotterer seinen DS Techeetah nach einer sehenswerten Aufholjagd vorzeitig abstellen.
Gar nicht in Fahrt kam der amtierende DTM-Meister Gary Paffett. Aus der zweiten Reihe gestartet fiel er immer weiter zurück und sah die Zielflagge schließlich nur als Sechzehnter.
Seit dieser Saison trägt auch die Jaguar I-Pace Trophy im Rahmenprogramm der Formel E ihre Rennen aus. Die auf allen vier Rädern elektrisch angetriebenen Tourenwagen, die im Renntrimm über 400 PS leisten, wiegen im leeren Zustand gut zwei Tonnen und möchten vom Fahrer erst einmal beherrscht sein.
Im Qualifying zeigten zwei Brasilianer das meiste Gefühl hinter dem Lenkrad. Der ehemalige Tourenwagen-WM-Pilot Caca Bueno fuhr die schnellste Zeit vor Sergio Jiminez, der in der Meisterschaft nur einen Punkt hinter dem Bryan Sellers lag. Der Amerikaner wiederum qualifizierte sich als Vierter, musste sich jedoch nach dem Start zunächst hinter Simon Evans und dem ehemaligen Jaguar-Formel-E-Fahrer Adam Carroll einreihen.
Bueno, Jiminez und Evans konnten sich von ihren Verfolgern absetzen und belegten in der Reihenfolge auch die ersten drei Plätze. Bryan Sellers verlor mit dem vierten Platz die Meisterschaftsführung an Jiminez. Beim Finale in New York (in Bern ist die Jaguar I-Pace-Trophy nicht am Start) hat er nun die Chance diese auf heimischem Boden zurückzuholen.
Das Rennen um den Sieg in der Amateurwertung glich zeitweise einem Autoskooter mit zwei Tonnen schweren Elektrofahrzeugen. Yaqi Zhang konnte schließlich die Französin Celia Martin bezwingen und damit den Klassensieg einfahren.
Der Berlin ePrix hatte auch abseits der Rennstrecke einiges zu bieten. Das E-Village auf dem Veranstaltungsgelände hat sich inzwischen zu einer kleinen Messe entwickelt. Allein über zwei Hangars erstreckte sich die Ausstellungsfläche, auf der neben modernen Antriebs- und Fortbewegungskonzepten zum Beispiel auch nachhaltige Ideen für Verpackungen präsentiert wurden. Selbst die Umweltschutzorganisation WWF (World Wildlife Fund) präsentierte sich und war nach eigener Aussage erstmals offiziell auf einer Motorsportveranstaltung vertreten. Aber auch bei den klassischen Motorsportfans weiß die Formel E zu punkten. Großer Andrang herrschte bei den Autogrammstunden mit den Fahrern im E-Village und die Möglichkeit tiefe, ungestörte Einblicke in die Boxen und die Technik zu erhalten wurde ausgiebig genutzt.
Nach dem Rennen am 22. Juni in Bern wird der neue Meister wahrscheinlich wieder beim Rennen in New York gekürt. Dort werden beim Saisonfinale wie im vergangenen Jahr wieder zwei Rennen ausgetragen.