Nach einer gelungenen Premiere auf dem Tempelhofer Flughafengelände im vergangenen Jahr, zog der Berliner e-Prix in diesem Jahr in die Straßen der Hauptstadt. Genauer auf die Karl-Marx-Allee in Friedrichshain. Der neue Kurs rund um den Straußberger Platz im Herzen der Metropole eroberte aus dem Stand die Herzen der Fans und Fahrer. Auf der Start- und Zielgerade zwischen Café Moskau und dem Kino International begeisterten Windschattenduelle und Ausbremsmanöver vor der Spitzkehre die Zuschauer. Da werden Erinnerungen an die legendäre AVUS wach.
Im Gegensatz zu den längst vergangenen Zeiten der AVUS-Rennen, ist das neue Stadtrennen Berlins allein den elektrisch betriebenen Formelfahrzeugen der FIA Formula E vorbehalten. Ob man diese Art des Motorsports nun für den Weg der Zukunft hält oder nicht, das Konzept der Veranstaltung geht auf. Die Tribünenplätze waren bereits in der Woche vor dem Rennen ausverkauft. Wer kein Ticket mehr erhalten hatte, konnte das Rennen dennoch auf der Videowand im frei zugänglichen eVillage verfolgen. Die Technologie der Rennwagen weist in die Zukunft und auch die Nähe der Zuschauer zum Geschehen ist wegweisend. Abschottung von Fahrern und Technik wie in der Formel 1 sucht man bei diesem Event, das sich nur über einen Tag erstreckt, vergeblich.
Nur 16 Tausendstelsekunden entschieden im Einzelzeitfahren der besten fünf Fahrer des Qualifyings über die Pole-Position. Ex-Toro-Rosso-Pilot Jean-Eric Vergne blieb nur knapp vor Sébastien Buemi, der seine Karriere ebenfalls einmal als Red-Bull-Junior begann. Daniel Abt hatte als Dritter nur 41 Tausendstelsekunden Rückstand auf Vergne und sicherte sich damit einen aussichtsreichen Startplatz.
Für den Höhepunkt des Tages, das Rennen über insgesamt 48 Runden, stattete sogar FIA-Präsident Jean Todt Berlin einen Besuch ab. Er sah, wie Buemi seinen eDAMS-Renault am schnellsten vom Startplatz beschleunigte und beim Anbremsen der Spitzkehre die Führung übernahm. Der Schweizer ging allerdings sparsam mit den ihm zur Verfügung stehenden Stromreserven um, was Vergne die Möglichkeit gab, die Spitzenposition wieder zu übernehmen. Doch Vergne hatte für dieses Manöver offensichtlich deutlich mehr Energie verbraucht, was ihn einige Runden später zum Sparen zwang. Buemi nutzte diese Gelegenheit, eroberte die Führung und baute diese in der entscheidenden Phase des Rennens aus. Hinter ihm lieferte sich sein eDAMS-Renault-Teamkollege Nicolas Prost einen sehenswerten Kampf mit Daniel Abt, der ein starkes Heimrennen fuhr. DS-Virgin-Pilot Jean-Eric Vergne musste dem hohen Tempo in der Anfangsphase Tribut zollen und fiel immer weiter zurück. In der Schikane überfuhr Vergne einen Poller, verlor seinen Frontflügel und musste danach den Wagen wechseln. Immer stärker in Fahrt kam dagegen Lucas di Grassi. Der Abt-Pilot ging nur von Platz acht aus ins Rennen, nutzte seine Energie allerdings intelligent und fuhr bis auf den fünften Platz vor. Teamkollege Daniel Abt hatte unterdessen unter dem Jubel der Tribünengäste und Anwohner einen Weg an Vergne vorbei auf den zweiten Platz gefunden. Doch da war Buemi bereits um die entscheidenden Sekunden enteilt.
Nach dem Fahrzeugwechsel in der Box verwaltete Buemi seinen Vorsprung, während der zweite und dritte Platz noch unter Abt, Prost und di Grassi ausgefochten wurde. Und tatsächlich gelang es dem Meisterschaftsführenden di Grassi noch auf den dritten Rang nach vorn zu stoßen. Da ihm Buemi im Kampf um die Meisterschaft direkt im Nacken sitzt, lag auch eine Teamorder an Daniel Abt in der Luft.
Doch eine Safety-Car-Phase kurz vor dem Ende des Rennens sorgte dafür, dass das Überholmanöver in den verbleibenden zwei Runden hätte stattfinden müssen. Abt blieb am Ende Zweiter, auch weil Nicolas Prost auf dem vierten Platz jede Möglichkeit genutzt hätte. Di Grassi gab sich nach dem Rennen als Gentleman: „Es wäre unfair gewesen, wenn wir die Plätze getauscht hätten.“ kommentierte der Brasilianer das hervorragende Wochenende Abts beim Heimrennen. In London stehen am 2. Und 3. Juli die finalen Läufe auf dem Programm. Zwei Rennen, doppelte Punkte und eine Strecke rund um den Battersea Park, die jede Menge Überholmanöver zulässt: der Ausgang der Meisterschaft ist völlig offen.
Sébastien Buemi hat mit seinem Sieg in den Straßen von Berlin den Rückstand auf Lucas di Grassi auf nur einen Punkt reduziert. Sam Bird hat als Dritter nur noch theoretische Chancen auf den Gesamtsieg. Der Fahrer vom DS-Virgin-Team qualifizierte sich zwar als Vierter und lag auch lange Zeit gut im Rennen, doch dann beschädigte er bei einer kleinen Berührung mit Daniel Abt seinen Frontflügel. Die Rennleitung entschied, dass Bird aus Sicherheitsgründen an die Box kommen muss, um den Flügel zu tauschen. Mit Rundenrückstand landete der Brite schließlich auf dem elften Platz und blieb damit punktelos.