Gestohlene Geschwindigkeit: Sonderedition zum 100. Geburtstag von Walter Kaaden

Am 1. September 1919 erblickte Walter Kaaden in Pobershau im Erzgebirge das Licht der Welt. Zunächst spannten die Nationalsozialisten den jungen Ingenieur im Zweiten Weltkrieg für ihre Kriegsmaschinerie ein. Kaadens Meisterstück war jedoch nicht die Mitarbeit an der Messerschmitt Me 262, dem ersten Düsenjäger der Welt, sondern die Entwicklung des modernen Rennzweitakters Ende der 1950er Jahre für das Motorradwerk Zschopau.

Wie konnte ein Motorradhersteller aus Ostdeutschland, noch dazu mit der als veraltet geltenden Zweitakttechnik ausgestattet, zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die etablierten Marken in der Motorradweltmeisterschaft heranwachsen? Der Schlüssel zum Erfolg war Walter Kaaden. Der Ingenieur, der nach dem Krieg in seine erzgebirgische Heimat zurückkehrte, formte mit dem MZ-Rennkollektiv eine Mannschaft, die trotz der denkbar widrigen Umstände fest an den Erfolg glaubte. Mit dem Mauerbau 1961 und der anschließenden Republikflucht des WM-Führenden und MZ-Werksfahrers Ernst Degner nahm das Schicksal für Kaaden und das Rennkollektiv jedoch eine negative Wendung.

Auch wenn er nicht alleiniger Urheber der MZ-Erfolgstechnologie war, Walter Kaaden hatte ein intuitives Gespür für den Zweitakter und er verstand es wie kein Zweiter die nötigen Pferdestärken aus dem kleinen Zweitaktmotor herauszuholen. Als Teammanager meisterte er trotz chronischer Unterfinanzierung und Materialknappheit den Sprung an die Weltspitze. Vieles wurde kurzerhand improvisiert, zur Beschaffung notwendiger Zulieferteile nutzte Kaaden geheime Kontakte in den Westen. Obwohl der volkseigene Motorradhersteller aus der DDR keine Fahrergagen zahlen konnte, fuhren bald zahlreiche Weltklassefahrer aus dem Ausland, darunter Mike Hailwood, Gary Hocking und Luigi Taveri, die schnellen Motorräder aus Zschopau.

Als MZ-Werksfahrer Ernst Degner 1961 kurz vor dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der 125ccm-Klasse stand, hatte er das vor allem der jahrelangen Entwicklungsarbeit des Rennkollektivs unter der Leitung Walter Kaadens zu verdanken. Die Flucht des zuvor im Arbeiter- und Bauernstaat gefeierten Grand-Prix-Stars ist bis heute umstritten, denn Degner flüchtete bekanntlich nicht nur in seine eigene Freiheit, er nahm auch die mühsam entwickelte Zweitakt-Renntechnik mit und verkaufte sie an den aufstrebenden japanischen Motorradhersteller Suzuki. Für MZ war es der Anfang vom Ende, denn das Geheimnis des Rennzweitakters war nun gelüftet und stand damit auch der Konkurrenz zur Verfügung.

Das Buch „Gestohlene Geschwindigkeit“ von Mat Oxley hat Kaadens Werk vielen zurück ins Bewusstsein geholt und manchem auch erstmals aufgezeigt. 2019 hätte der im Jahr 1996 verstorbene ehemalige Leiter der MZ-Sportabteilung seinen 100. Geburtstag gefeiert. Zu Ehren dieses Jubiläums wird dem Meister nun eine Sonderedition des Buches mit 50 zusätzlichen Seiten gewidmet. Neben Kolumnen, in denen Walter Kaaden einst das Renngeschehen und die Entwicklungsarbeit in eigenen Worten beschrieb, enthält die Sonderausgabe auch die Schilderung der Ereignisse um Degners Flucht aus der persönlichen Sicht des Leiters der MZ-Sportabteilung.

Abgerundet wird die Sonderedition von einem speziellen Jubiläumscover, gestaltet vom belgischen Rennsportillustrator Christian Papazoglakis.

Das Buch „Gestohlene Geschwindigkeit – 100 Jahre Walter Kaaden Edition“ kann in unserem Shop vorbestellt werden und wird ab dem 25.03.2019 ausgeliefert.

Eine Meinung zu “Gestohlene Geschwindigkeit: Sonderedition zum 100. Geburtstag von Walter Kaaden

  1. Karl-Heinz Bendix sagt:

    Guten Tag,

    nach meinem Kenntnisstand (so von Walter Kaaden erzählt) hatte er nichts mit der Entwicklung der Me 262 zu tun. Hingegen arbeitete er in Peenemünde unter von Braun mit an der Entwicklung der V1 und V2.
    Allerdings hat er nach eigener Aussage im Frühjahr 45 in der Nähe von Prag etliche Me 262 durch „Anwendung“ von Handgranaten in Brand gesetzt, damit sie nicht „in Feindeshand fallen“ konnten.
    Freundliche Grüße
    Bx

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