Kfz-Meister Ernst Zschörper (71) aus Marl erhielt am 6. Mai 2008 den Goldenen Meisterbrief. Der Firmenchef guckt selbst noch unter die Motorhaube, um einem Defekt auf die Spur zu kommen. Der Ort des Feierns entspricht der geradlinigen, unkomplizierten Wesensart des Jubilars: Ernst Zschörper hat in ein gediegenes Restaurant im „Nachtigallental“ geladen. Ein kulinarischer Geheimtipp, für Auswärtige aber schwer zu finden. Auch der Vertreter der Kreishandwerkerschaft steht ratlos auf einem Feldweg. Die anderen Gäste haben entweder Ortskenntnisse oder sind frühzeitig von zu Hause losgefahren. Auf dem Parkplatz des Nachttigallentals reiht sich jedenfalls Auto an Auto: Landrat Jochen Welt, Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich, die später den „soliden Mittelstand als sehr guten Steuerzahler“ Marls loben wird, Vertreter der Innung, Kollegen – sie alle sind gekommen, um dem Kfz-Meister zum Goldenen Meisterbrief zu gratulieren.
Die Gästerunde erinnert an alte Zeiten. Handwerkermeister mit 21 („Ich war der jüngste in Sachsen“), der Umzug von Dresden nach Marl, wo die Eltern eine Tankstelle an der Schillerstraße betrieben, Gründung der Autowerkstatt an der Brassertstraße 251 in einem ehemaligen Gebäude der Zeche AV. Damit beginnt die Zschörpersche Erfolgsstory, die in einem Betrieb mit 30 Mitarbeitern an der Carl-Duisberg-Straße mündet. Ein Ergebnis von Arbeit, Fleiß, Disziplin und Weitsicht. „Qualitäten, die die damalige Gründergeneration auszeichnet“, sagt Innungsbeauftragter Paul Laser in seiner Laudatio.
Selbstredend erinnert sich der Firmensenior an das erste Auto, das er verkaufte: ein DKW 36. Dass Autos aber nicht nur für den Lebensunterhalt sorgten und sorgen, sondern auch ein Stück Passion im Leben des Ernst Zschörper sind, erfährt man, wenn man im Motorrennsportarchiv recherchiert. Beim Internationalen Autobahnspinne-Rennen in Dresden-Hellerau 1958 taucht der Name Zschörper häufiger auf. „Hier und da habe ich auch mal ein Rennen gewonnen“, verrät er. (zum Beispiel Bautzen 1958 – Anmerkung motorrennsportarchiv.de)
Eine schöne und unbeschwerte Zeit. Mit der Entscheidung, sich 1962 in Marl selbstständig zu machen, änderte sich das. Es war zwar die Zeit der Wirtschaftswunderjahre, dennoch verlangte die Gründung einer Autowerkstatt Mut. Dass das Auto mal zu einem der gefragtesten Konsumartikel werden würde, daran glaubte damals noch niemand so recht.
Zeit für ein Hobby blieb dem Firmenchef kaum. Trotzdem frönt er einer stillen Leidenschaft, die, wen wundert’s, eine Verbindung zu seiner alten Heimat Dresden offenbart: Zschörper sammelt Porzellan, „meistens Meißner, verrät er. Kurz nach dem Mauerfall ist er in die Elbestadt gefahren, Verwandte besuchen. Wie war sein erster Eindruck? „Das möchte ich lieber nicht erzählen“, sagt er leise.
Lieber erzählt er von der Autowerkstatt. Heute habe der Automechaniker alter Schule ausgedient. Gefragt seien Mechatroniker und Diagnosetechniker, weil schon längst fast alle Funktionen in einem Fahrzeug elektronisch kontrolliert werden. „Die Ausbildung rund ums Auto und die Anforderung an die Auszubildenden haben sich enorm verändert“, sagt Zschörper.
Geschätzte 2500 Gesellenprüfungen hat er im Zeitraum 1985 bis 2002 abgenommen. Wie hält er sich mit 71 Jahren bei aller Autoelektronik auf dem Laufenden? „Indem ich jeden Tag in der Werkstatt bin.“ Ein Patentrezept. Aber eine andere Antwort könnte man sich von Ernst Zschörper nicht vorstellen.
Von Irene Stock, WAZ (Westdeutsche Allgemeine)
(Veroeffentlichung mit freundlicher Genehmigung / Fotos: motorrennsportarchiv.de)