Neben dem Schleizer Dreieck ist der Sachsenring die Heimat des deutschen Motorradrennsports. Dass die deutsche Zweiradelite nach einem Event im Corona-Jahr 2020 ohne Zuschauer endlich wieder auf den Grand-Prix-Kurs in Sachsen zurückkehrt, ist deshalb ein logischer Schritt, der auch von den Zuschauern trotz der mehrjährigen Pause wieder mit großem Zuspruch begrüßt wurde. Über 15.000 Besucher zählte der Veranstalter schließlich an allen drei Veranstaltungstagen, was als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass Motorsport zum Anfassen in der motorradsport-begeisterten Region immer gut ankommt. Für manchen Fan mag dieses Format im Vergleich zum Grand-Prix nicht nur die preisgünstigere, sondern auch die attraktivere Alternative sein.
Auch sportlich muss sich die IDM nicht verstecken. Gerade einmal drei Sekunden verlor der Trainingsschnellste Florian Alt in seiner schnellsten Qualifying-Runde im Vergleich zur Weltspitze der MotoGP im vergangenen Jahr. Vom dritten Startplatz nahm der dreifache IDM-Superbike-Meister Ilya Mikhalchik das erste Rennen auf, doch schon in der ersten Kurve hatte der BMW-Pilot aus der Ukraine die Führung übernommen. Mit einer Performance, die an seine Meisterjahre 2018, 2019 und 2021 erinnerte, bestimmte Mikhalchik die Pace scheinbar nach Belieben. Nur sein Markenkollege Patrick Hobelsberger und die beiden Honda-Piloten Florian Alt und Hannes Soomer waren in der Lage das Tempo des Führenden annähernd mitzugehen. Für den Zielsprint hatte sich Florian Alt seine Reifen am besten eingeteilt. Der Holzhauer-Honda-Pilot spielte seine Erfahrung auf dem Superbike aus und sicherte sich so den zweiten Platz hinter Mikhalchik. Die beiden Supersport-Umsteiger Soomer und Hobelsberger deuteten allerdings mit einer beachtlichen Leistung an, dass im Saisonverlauf mit ihnen zu rechnen ist. Am Ende konnte sich der Este über den verbleibenden Podestplatz freuen. Trotz des undankbaren vierten Platzes hatte auch GERT56-BMW-Pilot Patrick Hobelsberger allen Anlass mit seinem Superbike-Debüt mehr als zufrieden sein. Sein Teamkollege Toni Finsterbusch fiel mit technischen Problemen aus während der dritte GERT56-BMW-Fahrer im Bunde, Jan-Ole Jähnig, mit Platz 9 ein gutes Resultat einfuhr.
Der zweite Lauf wurde im Reverse-Grid gestartet und wieder wollte sich Ilya Mikhalchik mit einem guten Start an die Spitze katapultieren. Doch in der ersten Kurve verlangte der Ukrainer zu viel von seinen Reifen und rutschte aus. Damit war der Weg für Florian Alt frei, der sich in den folgenden Runden schnell an die Spitze des Rennens setzen konnte und schließlich den lang ersehnten ersten Sieg für das Team um Jens Holzhauer mit der neuen Honda Fireblade SC 82 einfuhr. Dahinter gab es für die zahlreichen Rennbesucher das Duell des Rennens zu sehen. Die Superbike-Neulinge Hannes Soomer und Patrick Hobelsberger lieferten sich einen harten und fairen Zweikampf, den der Bayer schließlich für sich entscheiden konnte.
Im Duell der beiden Hohenstein-Ernstthaler Superbiker konnte sich Paul Fröde mit zwei elften Plätzen über eine gute Punkteausbeute aus dem ersten Rennwochenende freuen. Ebenfalls aus der Sachsenring-Stadt kommt Gaststarter Moritz Jenkner, der das Ziel auf den Plätzen 17 und 16 erreichte. Jenkner nutzte das Wochenende auf seiner Heimstrecke als Vorbereitung auf den Pro Superstock Cup, der beim nächsten IDM-Wochenende in Oschersleben am 2.-4. Juni 2023 in die Saison startet.
IDM Supersport
Mit dem New-Generation-Reglement gab es schon vor dem Saisonstart viel Diskussionen um die IDM Supersport. Einige Teams, darunter das seit vielen Jahren erfolgreiche Kawasaki Schnock Team rund um Roman Raschle, zogen im Vorfeld der Saison aus Kostengründen den Stecker. Doch seitens der Serienorganisatoren muss man auch handeln und an die Zukunft denken. Ein separates Reglement, welches sich nicht an der Weltmeisterschaft orientiert, passt dabei nicht in die langfristige Planung. Damit bleibt die Yamaha R6 das Bike der Wahl, wenn man an der Spitze der IDM Supersport mitfahren will. Die drei Trainingsschnellsten Melvin van der Voort, Andreas Kofler und Twan Smits setzen auf dieses Modell und blieben im Qualifikationstraining innerhalb nur einer Zehntelsekunde. Dieser enge Zeitabstand versprach spannende Rennen, doch in beiden Läufen unterstrich Melvin van der Voort seine Meisterschaftsambitionen für das Jahr 2023. Der Niederländer bestimmte die Rennen von der Spitze und hielt sich seinen Landsmann Twan Smits erfolgreich vom Leib. Thomas Gradinger feierte ein gutes Comeback nach seiner schweren Rückenverletzung, die er sich im vergangenen Jahr auf dem Schleizer Dreieck zugezogen hatte. Der Belgier Luca de Vleeschauwer hielt die Kawasaki-Fahne hoch. Mit Platz vier im ersten Rennen war der Meisterschaftsdritte des Vorjahres allerdings nicht ganz zufrieden. Im zweiten Lauf riskierte de Vleeschauwer dann in der ersten Kurve zu viel, rutschte weg und räumte Christoph Beinlich und Thomas Gradinger ab. So war der Weg für Andreas Kofler frei, der nach dem Ausfall seiner Konkurrenten als Dritter das Ziel erreichte.
IDM Supersport 300
Nach einem spannenden Rennen mit dem sensationellen Sieg von Dustin Schneider am Samstag, fand im zweiten Lauf am Sonntag die gleiche 7-köpfige Spitzengruppe zusammen, um das Rennen unter sich auszumachen. Diesmal jedoch ließ sich der Trainingsschnellste Inigo Iglesias den Sieg nicht nehmen. Der Kawasaki-Pilot aus Spanien drehte die schnellste Rennrunde und hatte in der entscheidenden letzten Runde das Rad auf dem Zielstrich vorn. Die Freudenberg-WM-Piloten Lennox Lehmann und Dirk Geiger belegten die Plätze zwei und drei, nachdem ihr Teamkollege Walid Khan in der letzten Runde durch Sturz aus der Spitzengruppe ausschied und das Rennen nicht beenden konnte.
Seitenwagen-WM und IDM
Ohne nennenswerte Konkurrenz zogen Ben und Tom Birchall auch im Hauptrennen am Sonntag ihre Runden um den Sachsenring. Ryan Charlwood und Stephen Kershaw, die im Sprint am Samstag mit einem platten Hinterrad infolge eines Kontakts in der ersten Kurve die Segel streichen mussten, konnten diesmal im Rennen über 20 Runden den Abstand unter 10 Sekunden halten. Doch so souverän wie die Birchall-Brüder agierten, muss man doch vermuten, dass sie nicht über das gesamte Rennen hinweg alles aus Ihrem Gespann herausholten und nur so schnell fuhren, wie es für den Sieg notwendig war. Ein weiteres Brüderpaar aus England, Sam und Tom Christie, holte sich Platz drei vor den Amtierenden Weltmeistern Todd Ellis/Emanuelle Clément. Auf Platz fünf das Vater-Sohn-Team Vincent und Ted Peugeot, die aus der französischen Bergrennsportszene stammen und sich am Sachsenring mit beeindruckenden Rundenzeiten in der Weltspitze behaupteten. Da sich die Franzosen international noch nicht in Szene setzen konnten, werden sie 2023 auch für die IDM-Wertung berücksichtigt, welche sie im zweiten Lauf für sich entschieden. Sattler/Schmidt und Göttlich/Krieg komplettierten das Podest in der IDM-Wertung.
Northern Talent Cup (NTC)
Nach dem vierten Platz im ersten Lauf am Samstag hatte sich der Trainingsschnellste Lenoxx Phommara für den Sonntag einiges vorgenommen. Doch bei einem Gerangel in der ersten Kurve musste der Schweizer zunächst einmal den Anker werfen um nicht mit dem am Boden liegenden Jurrien van Crugten zu kollidieren. Statt das Rennen abzuhaken, hatte Phommara nun aber endgültig Motivation getankt. Mit einer Aufholjagd fuhr er wieder in die Spitzengruppe und schlug den Samstagssieger Rocco Sessler schließlich im Zielsprint um den Sieg mit nur 35 Tausendstelsekunden Vorsprung. Dritter wurde der Däne Julius Ahrenkiel-Frellsen.
Weiter geht es für die Nachwuchspiloten zusammen mit der IDM am 2.-4. Juni 2023 in Oschersleben, bevor man im Rahmen der Motorrad-Weltmeisterschaft ein weiteres Mal auf dem Sachsenring zu Gast sein wird.
Rahmenrennserien
Auch bei den Cup-Rennserien im Rahmenprogramm war für spannende Rennaction gesorgt. Valentin Folger konnte im Yamaha-R7-Cup seinen Sieg vom Samstag wiederholen. Michel-Caspar Wieth versuchte den Bayer diesmal stärker unter Druck zu setzen, doch beim Anbremsen der ersten Kurve verpasste Wieth den Bremspunkt und wäre um ein Haar in Folgers Heck gekracht. Nach einem Umweg über das Kiesbett nahm Wieth das Rennen wieder auf und kämpfte sich wieder an die zweite Position nach vorn. So blieb der kleine Ausrutscher auch aufgrund des starken Leistungsgefälles am Ende folgenlos. Der drittplatzierte Cedric Holme-Nielsen fuhr pro Runde geschlagene zwei Sekunden langsamer als die überlegenen Protagonisten Folger und Wieth.
Die Akteure des Twin-Cups bildeten am Sonntagnachmittag den Abschluss des Rennwochenendes. Bis dahin hatte das Wetter ausgehalten, aber ausgerechnet zum letzten Rennen begann es zu regnen und so musste die Zweizylinder-Meute auf schwierigem Geläuf ausrücken. Justin Hänse, der Meister und Dominator des Vorjahres, hielt sich zurück und begnügte sich mit dem dritten Platz, während Felix Kauertz das Rennen vor Jan Gerwin für sich entschied.
Für den Twin Cup geht es am 2.-4. Juni 2023 im Rahmen der IDM in Oschersleben weiter. Vor dem Saisonabschluss in Hockenheim werden sich die Cupies auf dem Schleizer und Frohburger Dreieck messen.