Hans-Dieter Kessler

Ostdeutsche Automobilrennsportler nach der Wende

Als ich vor einiger Zeit Fotos des ADAC-GT-Cups aus den Jahren 1993/94 angeboten bekam, fragte ich mich als erstes, ob sich die Mühe des Katalogisierens lohnt und ob diese Motive ins Portfolio des Archives passen. Erst beim Sichten der Bilder kamen die Geschichten hinter den Motiven zum Vorschein und gaben diesen eine größere Bedeutung.

Zum Beispiel der 2. Lauf zum Warsteiner ADAC GT-Cup am 29.-30. Mai 1993 im belgischen Zolder. Im ersten Jahr dieses neuen Cups mit einer Markenvielfalt, welche einen heute staunen lässt, waren in der Gesamtwertung die BMW M3 GTR von Johnny Cecotto, dem ehemaligen Motorrad-Weltmeister, und Kris Nissen überlegen. Wenn auch in Zolder Armin Hahne mit dem Honda NSX gewann, da Cecotto zwanzig Strafsekunden für einen Frühstart auferlegt wurden. Einer der Starter im damals in zwei Divisionen unterteilten, rießigen Teilnehmerfeld war der Thüringer Hans-Dieter Kessler (*1942 – †2024), der siebenmalige Tourenwagen-DDR-Meister (3x mit Trabant, 4x mit Zastava). Kesser startete damals in der Division II mit einem Nissan 200 SX und nahm im späteren Verlauf seiner Karriere auch noch an Wüstenrallyes teil. Beim Rennen in Zolder 1993 belegte er einen 28. Gesamtrang und wurde in der Division II Siebenter. Mit 66 Punkten schloss er die Meisterschaft auf dem sechsten Platz seiner Klasse ab.

1993 war auch das Jahr in dem sich in Deutschland das Formel-1-Fieber ausbreitete, denn mit dem jungen Michael Schumacher gab es endlich wieder einen Siegfahrer in der Königsklasse. Kein Wunder also, dass im Rahmenrennen der Formel Junior alle Augen auf Michaels jüngeren Bruder Ralf gerichtet waren. Ralf Schumacher wurde in Zolder Zweiter hinter Wolf Hensler. Schumachers Teamkollege im Abt-Team war Ronny Melkus aus der bekannten Dresdner Rennfahrerdynastie. Vater Ulli (*1950 – †1990, fünffacher DDR-Meister bei den Rennwagen) und Großvater Heinz (*1928 – †2005, sechsfacher DDR-Meister) machten den Namen Melkus in Ostdeutschland zu einem Synonym für Erfolg im Motorsport. Ronny Melkus war bereits seit 1985 im Kartsport zu Hause. In Zolder 1993 beendete der damals 19jährige das Rennen als Fünfter. Am Ende der Saison hieß die Reihenfolge in der Gesamtwertung Ralf Kalaschek vor Ralf Schumacher und Ronny Melkus. Ein Sieg beim Flugplatzrennen in Ahlhorn vor dem späteren Meister Kalaschek war der glanzvolle Höhepunkt seiner Saison.

Hans-Dieter Kessler und Ronny Melkus sind nur zwei Beispiele für Motorsportler aus dem Osten Deutschlands, die sich kurz nach der politischen Wende 1989/90 im gesamtdeutschen Motorsport versuchten. Die Bilddokumente darüber sind Beleg für die Geschichte des Motorsports in der ehemaligen DDR und wie diese in den 1990er Jahren weitergeschrieben wurde. Ein weiteres Beispiel ist der vierfache Tourenwagen-DDR-Meister Peter Mücke, der nach der Wende dreimal Europameister im Auto-Cross wurde und nach der Jahrtausendwende eines der erfolgreichsten Privatteams im deutschen Motorsport betrieb. Im Motorradrennsport versuchte sich der dreifache 250ccm-DDR-Meister Lothar Neukirchner mit unterlegenem Material in der 500ccm-Klasse der Motorrad-WM.

Für die meisten Motorsportler der ehemaligen DDR scheiterte ein Engagement im bundesdeutschen Motorsport am Geld oder den notwendigen Beziehungen, um im großen Renngeschehen mitzumischen. Noch heute ist Talent nicht die einzige Zutat, die es für eine erfolgreiche Karriere im Motorsport braucht.

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