Am 29. und 30. April 2017 werden wieder Motoren von Solo- und Seitenwagenrennmaschinen erklingen, die aus den Jahren stammen, als der Motorrennsport in der Publikumsgunst ganz oben angesiedelt war. Auf dem Weixdorfer 2 km-Rundkurs soll damit unter dem Motto „Vor 65 Jahren siegte Ewald Kluge auf der Dresdner Autobahnspinne“ an den großartigen Weixdorf/Lausaer Sportler und Menschen Ewald Kluge sowie an die Rennen auf der Dresdner Autobahnspinne erinnert werden. Dem Veranstalter liegen für die Läufe am letzten Aprilwochenende 2017 u. a. auch Startermeldungen aus England und Tschechien vor. Und natürlich wäre es eine Bereicherung für unsere Veranstaltung, wenn möglichst viele ehemalige aktive „Spinnefahrer“ den Weg zur Weixdorfer Strecke finden würden.
Als im Juli 1952 in der Sächsischen Zeitung veröffentlicht wurde, dass zum zweiten Motorrad- und Wagenrennen auf der Dresdner Autobahnspinne der TT-Sieger, zweimalige Europameister und viermalige Deutsche Meister Ewald Kluge starten wird, verfielen die Motorsportbegeisterten in der sächsischen Region in eine regelrechte Euphorie. Es war die Zeit, als der deutsche Motorrad- und Autorennsport sich aus den Trümmern des zweiten Weltkrieges erhoben hatte und nun wieder den Anschluss an das internationale Spitzenniveau suchte. Der gebürtige Weixdorf/Lausaer Ewald Kluge war von Adelsberg/Chemnitz seinem Arbeitgeber DKW nach Ingolstadt gefolgt und hatte sich nach schweren Jahren in der direkten Nachkriegszeit wieder als DKW-Werksfahrer etablieren können; und er fuhr wieder Siege ein! Besonders die Neukonstruktion, eine 350 ccm Dreizylinder-Maschine mit einem Sound, der sie im Volksmund zur „Singenden Säge“ werden ließ, versprach, damit auch wieder in die internationale Spitze vordringen zu können.
In einer Sondernummer der SZ vom 26.Juli 1952 wurde die Bevölkerung auf das kommende Rennen eingestimmt, und man konnte in einer Annonce nachlesen, dass die HO (Handelsorganisation) „in ausreichender Menge Bier, Limonade, Selters, Eis, Bockwurst, Wurst – und Fischsemmeln sowie Süß – und Backwaren“ bereitstelle. Die Anzeige schloss ab mit dem Untertext: „Kampf dem Generalkriegsvertrag – Seid bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens!“ Aber auch Werbung für Kühlstengel-Eis, Rowebo (Robert Weber – Weinkellerei) oder den Lindengarten Hellerau ist in dieser Extraausgabe der SZ zu finden.
80% der Texte waren natürlich dem Motorsport und dabei speziell dem bevorstehenden Spinnerennen gewidmet, wobei die Bevölkerung in den Artikeln ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der deutsche Motorsport viel von der Sowjetunion lernen könne!
Namen wie Edgar Barth, Bernhardt Petruschke, Hans Baltisberger, Rudi Knees, Arthur Rosenhammer, und Christa Böttcher (einzige Frau auf einer 500 ccm BMW) sowie natürlich Ewald Kluge ließen die Leser aufhorchen.
Aufgrund des engen Terminkalenders war es für Ewald Kluge gar nicht so einfach, den Starttermin auf der Dresdner Autobahnspinne wahrzunehmen. Von seinem Sohn wissen wir aber, dass er sich den Menschen aus seiner Heimat moralisch verpflichtet fühlte und er die Erwartungen nicht enttäuschen wollte. So reiste der ehemalige Lausaer aus Ingolstadt mit einer Rennmaschine an, die aus Gründen der Eile noch nicht einmal komplett zusammengebaut war. Aber zum Training und Renntag war dann alles fahrbereit, und im Rennen der 250 ccm-Klasse ließ Ewald nichts anbrennen. Vom Start weg in Führung liegend siegte er unangefochten mit über einer Minute Vorsprung vor Hein Thorn-Prikker und Gotthilf Gehring (beide auf Moto-Guzzi). Der Lauf der 350 ccm-Klasse gestaltete sich zunächst für Ewald Kluge ähnlich erfolgreich, jedoch wurde er in der letzten Runde vom Rennfahrerpech erwischt: Eine Zündkerze war ausgefallen. Sein Vorsprung hätte ausgereicht, um die Kerze noch vor Eintreffen des Zweiten, Xaver Heiss, zu wechseln. Jedoch der für diesen Vorgang erforderliche Kerzenschlüssel, der zu jener Zeit entweder im Stiefelschaft oder in einer Aussparung der Lederkombi steckte, war ihm am Start beim Anschieben der Maschine verloren gegangen. Damit gingen die ersten Plätze an Xaver Heiss und Rudi Knees. Ewald Kluge musste seine Maschine am Streckenrand abstellen. Das Publikum aber feierte natürlich „seinen“ Helden, der hier wieder einmal gezeigt hatte, dass er fahrerisch nahezu unangreifbar war und auch mit einer ihm bisher unbekannten Strecke sicher zurechtkam.
Heute, im Jahr 2017 wird mit dieser Veranstaltung das Publikum daran erinnert, welch großartige Heimat das Land Sachsen einmal für Weltklasse-Rennfahrer, Rennstrecken und Motorradfabriken darstellte.
Text: Jürgen Ehrhardt